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Wie es mit der JungfrauenZeitung eine Mikrozeitung den Großen zeigt, wie es gehen kann

Viele Verlage suchen den Weg aus der Krise und haben dabei viele Ideen, die z.T. auch funktionieren. Häufig sehen sie aber den einzigen Ausweg darin, sich “gesund zu fusionieren”. Leider wird damit das Problem häufig nur nach hinten geschoben, nicht aber gelöst. In diesem Umfeld fällt es dann auf, wenn eine “Mini-Zeitung” nicht nur vieles anders macht, sondern auch anscheinend gut davon lebt. Konkret spreche ich von der “Jungfrauen Zeitung” aus der Schweizer Provinz. Aufmerksam geworden bin ich durch ein Venture-TV-Video-Interview (siehe weiter unten). Nach dem Anschauen war ich zwar nicht wirklich schlauer, was jetzt die Jungs aus der Schweizer Provinz rund um ihren Geschäftsführer Urs Gossweiler anders und besser als die anderen machen, aber ich bin neugierig geworden und habe mich in die Erfolgsstory tiefer eingearbeitet.

Schlauer geworden bin ich, nachdem ich im Medien-Monitor einen sehr aufschlussreichen Artikel über die Erfolgsstory der JungfrauenZeitung mit dem Titel “Konzept für die Welt im Kleinen: Lokal, multimedial, “web first” – das sind die Eigenschaften der Mikrozeitung.” gelesen habe. Demnach versteht sich die JungfrauenZeitung als “reine” Regionalzeitung: “Was außerhalb des Verbreitungsgebietes der Zeitung passiert, ist für die Redaktion nicht relevant!” Diese Fokussierung stellt aus meiner Sicht die erste sehr kluge Entscheidung von Urs Gossweiler dar. Denn wie kann ich mich von den Wettbewerber abheben und einen echten Mehrwert bieten, wenn ich nur eine “dpa-Aufbereitungsanlage” und damit fast exakt das schreibe, was die anderen auch schreiben?

Urs Gossweiler nennt sein Lesereinzugsgebiet (Stammsitz Interlaken im Kanton Bern) mit 50.000 Lesern einen sog. “Mikrokosmos”. Und genau in solch einem Mikrokosmos könne eine Zeitung auch wirtschaftlich gut leben: “Massenmedien bestünden seit ihrer Erfindung aus den drei Säulen Publizistik, Werbung und Nutzer, sagt Gossweiler. “Die Werbeauftraggeber finanzieren den Inhalt, der wiederum von den Nutzern konsumiert wird, die dadurch mit der Werbebotschaft konfrontiert werden. Je höher die geografische Identität zwischen den drei Säulen, desto größer die Wirkung für alle Beteiligten.” Für Werbetreibende sei der Mikrokosmos eine optimale und leicht zu kontrollierende Ausgangslage, da sie ihre lokale Zielgruppe über die Mikrozeitung ohne Streuverluste ansprechen könnten, so der Schweizer Verleger.”

Das klingt alles eher etwas konservativ, was aber nicht schlecht sein muss, denn früher war nicht alles schlechter. Doch Gossweiler ist auch gut für Paradigmenwechsel, wie die nächste Aussage zeigt: “Papier spielt für die Mikrozeitung nur eine kleine Rolle. Sie ist kein klassisches Print-Produkt, sondern eine Multimedia-Plattform. “Web first” lautet ihr Slogan. Neue Artikel erscheinen permanent im Internet auf der Homepage und in Applikationen für Smartphones und Tablet-PCs. “Sämtliche Inhalte werden auf allen Kanälen publiziert, damit der Nutzer stets die Sicherheit hat, alles zu bekommen, egal mit welchem Device er sich gerade wo befindet”, so Urs Gossweiler.” Die Papierzeitung nennt Gossweiler Printout, weil sie das Ergebnis der Webartikel ist. Und sie erscheint auch nur zweimal die Woche, dienstags und freitags. Nicht in der Zeitung, sondern im Web findet man dann weiterführende Infos zu den Printartikeln.

Bei der Finanzierung hält es Gossweiler eher wieder mit der Tradition. Ein Drittel der Einnahmen erzielt er mit Print-Abonnementgebühren (die Webseite kann selbstverständlich kostenlos gelesen werden), zwei Drittel mit Werbeeinnahmen und zwar fast ausschließlich von lokalen Werbekunden. Auf die Frage, ob ihm nicht Google Kopfzerbrechen mache, die Millionenumsätze mit lokaler Werbung machen würden, gibt er folgende Antwort: “Die Mikrozeitung ermöglicht wie Google lokale Zielgruppenansprache auf lokaler Ebene. Sie hat für Werbekunden aber den Vorteil, dass die Werbung gestaltet und am Schluss noch auf Papier gebracht wird. Außerdem entsteht bei der Mikrozeitung die lokale Ansprache nicht durch kalte Datenbank-Algorhytmen, sondern durch ein exklusives, publizistisches Umfeld.”

Das Konzept klingt plausibel und erfolgreich. Wie sieht es nun mit den Zahlen aus? Machen wir also den Faktencheck: “Laut der Schweizer AG für Werbemedienforschung (WEMF) bezogen 2011 rund 7 700 Abonnenten die Papierversion der Jungfrau Zeitung. Die Nutzerzahlen der Online-Ausgabe sind deutlich höher: Die WEMF zählte im Dezember 2011 rund 52 000 Einzelnutzer des Portals jungfrau-zeitung.ch – mehr Menschen, als im Verbreitungsgebiet leben. Nach Verlagsangaben schreibt man schwarze Zahlen: Demnach generierte die Jungfrau Zeitung 2010 rund vier Millionen Schweizer Franken Ertrag bei etwa drei Millionen Kosten.”

Klingt so gut, dass es sicherlich bald Copy Cats geben wird. Das hat wohl auch Urs Gossweiler befürchtet und deshalb ein Lizenzmodell entwickelt, um auch von den anderen Kuchen jeweils ein Stück abzubekommen. So macht er folgende “noch fiktive” Rechnung für Deutschland auf: “Die Lizenzgebühr für Nordrhein-Westfalen beispielsweise beträgt 15 Millionen Schweizer Franken, umgerechnet rund 12,4 Millionen Euro. Wer sich das Recht sichern will, in ganz Deutschland Mikrozeitungen zu verlegen, müsste 88 Millionen Schweizer Franken (rund 72,7 Mio. Euro) an Gossweiler überweisen.” Dafür wird auch einiges zur Verfügung gestellt: Layout der Papierausgabe, das Design der Online-Plattform, das browsergestützte Redaktionssystem G-OS sowie Serviceleistungen wie Coaching für die Mitarbeiter und Unterstützung beim Marketing und regelmäßige Mediennutzungsstudien.

Nur blöd, dass der erste Lizenznehmer in Österreich mit der Obwalden und Nidwalden Zeitung (ONZ) nach knapp zwei Jahren schon wieder den Betrieb einstellen musste und zwar mangels wirtschaftlichen Erfolges. Das zeigt, dass es doch etwas anderes ist, eine Mikrozeitung erfolgreich aufzubauen oder passende Lizenzgeber zu finden und sie ebenfalls erfolgreich zu machen. Diese Erfahrung mussten vor Urs Gossweiler schon viele andere Franchisegeber machen. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt und Urs Gossweiler wird weiter an seinem Imperium arbeiten. Auch wenn es jetzt erst einmal einen Dämpfer gab und die nächsten Lizenzgespräche sicherlich schwieriger werden. Mit diesen Backgroundinfos macht es jetzt auch Sinn, obiges Interview anzuschauen. Ich habe zumindest beim zweiten Mal mehr verstanden 🙂

4 Responses to Wie es mit der JungfrauenZeitung eine Mikrozeitung den Großen zeigt, wie es gehen kann

  1. Martin sagt:

    Hi,

    sehr interessant =)!! Das mit den Lizenzen hört sich ja fast an wie der Aufbau einer Downline bei MLM Projekten. Das Konzept an sich finde ich wirklich sehr gut und vielversprechend aber die Lizenzen? Ich weiß ja nicht 😉 …

    Wenn jemand etwas Vergleichbares aufbauen will, fährt er dann nicht vielleicht besser damit, die entsprechende Region erst mal gründlich zu analysieren und das Geld, das die Lizenz kosten würde, für Planung und Aufbau eigener Strukturen zu verwenden?

    Aber das sind natürlich nur sehr allgemein gehaltene Überlegungen, die man leicht anbringen kann, wenn man nicht selbst Konkretes vor hat =).

    Das Hauptaugenmerk auf’s Netz zu legen und von dort ausgehend bei klarer lokaler Fokusierung alle Kanäle abzudecken ist aber auf den ersten Blick tatsächlich die beste Herangehensweise für einen Verlag in der heutigen Zeit…solche Einblicke sind echt spannend. Danke für den Artikel!!

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