Nicht das erste Mal können sich die Crowds in Deutschland via IPO-Plattform direkt an Unternehmen in Form von Aktien beteiligen. Valora Effekten bietet das seit Jahren an. Jetzt steigt Bergfürst neu in den Markt ein, der auf der Crowdinvesting-Welle surfen will und mit einem Jahr Verspätung an den Start geht. Viel “alter Wein wird in neue Schläuche gefüllt”. Für besondere Aufmerksamkeit hat Bergfürst gesorgt, weil es seinen Kunden einen Zweitmarkt anbieten will, so dass jeder Investor seine Aktien auch verkaufen kann, bevor ein evtl. Börsengang das möglich macht. Valora-Effekten und Co. bieten das schon seit Jahren an, aber nicht in der hippen StartUp und Crowdinvesting-Szene. Entsprechend begeistert wird das Angebot von Bergfürst in der Medienlandschaft aufgenommen. Ich vermisse allerdings die kritische Betrachtung. Sind unsere Blogs und Medien tatsächlich zu PR-Handlangern verkommen? Folgende kritische Fragen und Anmerkungen habe ich:
War kein besserer 1. Beteiligungskandidat zu finden?
Man soll mich nicht missverstehen. Urbanara ist ein spannendes ECommerce-StartUp made in Germany mit guten Margen. Die Kundenbindungsquote stimmt. Und Urbanara hat viele Kunden, die als mögliche Aktionäre in Frage kommen. Das ist alles sehr positiv. Aber ich hätte mir als Erstemission auf Bergfürst ein StartUp a la mytaxi, mymuesli oder Co. gewünscht. Also echte Innovationsführer made in Germany. Bergfürst hatte wirklich viel Vorlaufzeit. Schade, dass diese Vorlaufzeit nicht genutzt wurde, um uns einen echten Knaller zu präsentieren. Sehr schade.
Ist das erste Emissionsangebot wirklich lukrativ für die Zielinvestoren?
Auf Seedmatch, Companisto und Co. habe sich viele Interessierte mit einigen Hundert EUR an StartUps beteiligt, um dabei zu sein, das StartUp zu unterstützen und tiefe Einblicke zu erhalten. Bei einem Mindestzeichnungsvolumen von ca. 3 Mio. EUR muss Bergfürst aber jetzt typische Aktieninvestoren anlocken, die 10 bis 20 TEUR investieren, damit die Zeichnung in der kurzen Frist erfolgreich abgeschlossen werden kann. Nach Durchsicht der Unterlagen bin ich skeptisch. Die Bewertung finde ich sehr hoch, ein Börsengang die nächsten Jahr ist nicht erkennbar. Mir fehlt die Fantasie für einen Tenbagger in 5 Jahren. Und dann besteht auch noch ein großes Anschlussfinanzierungsrisiko Mitte 2014 (dann braucht Urbanara nach eigenen Angaben schon wieder frisches Geld).
Ist das Emissionsvolumen von 3 Mio. EUR evtl. zu hoch?
Aus meiner Beobachtung heraus gibt es die größte Beteiligungslücke zwischen 100.000 EUR und 2,5 Mio. EUR. Darunter sind Family, Friends, Fools, Business Angels und die Gründer selbst gefordert. Und daüber sind instutionelle Investoren wie VC´s Family Offices und Co. gefragt. Deshalb finde ich es verwunderlich, dass gleich bei der ersten Emission auf Bergfürst “nach den Sternen gegriffen wird”. Wenn auch nachvollziehbar ist, dass Urbanara momentan viel Geld braucht. Eine “Nummer kleiner” hätte es schon deshalb sein können, um die Chance zu erhöhen, das 1. Investment sicher zu “stemmen”. Wenn diesbezüglich nicht schon entsprechende Zusagen vorliegen, könnte Bergfürst das Risiko eingehen, zum “Talfürsten” degradiert zu werden. Das wäre sehr schade für die gesamte StartUp-Szene und würde ich mir nicht wünschen.
Schreckt der Wertpapierprospekt nicht eher ab?
Ich finde es gut, dass die potentiellen Investoren mit Hilfe des Wertpapierprospektes ausführlich informiert werden. Damit wirbt auch Bergfürst und will sich von den anderen Crowdinvestingplattformen abgrenzen. Dieses Schuss könnte allerdings nach hinten losgehen. Denn der Prospekt ist vollgestopft worden mit Hinweisen zu Risiken. Da vergeht einem schnell die Lust zum Weiterlesen. Zudem ist der Wertpapierprospekt mit 270 Seiten zu lang geraten. Ich spreche von einer Frechheit. Wenn mir ein Gründer einen Business Plan von 270 Seiten vorlegen würde, würde ich Ihn sofort zurückschicken. Mir fehlt eine fachliche Zusammenfassung auf 20 Seiten aller wichtigen Inhalte.
Könnte der Zweitmarkt nicht zum großen Floprisiko werden?
Ich würde mir schon alleine deshalb wünschen, dass die Urbanara-Emission mit Hilfe von Bergfürst erfolgreich durchgeführt wird, damit man danach prüfen kann, ob der Zweitmarkt wirklich funktioniert und liquide genug ist. Können Aktionäre zu marktgerechten Preisen Aktien kaufen oder verkaufen? Wer sorgt für die nötige Liquidität und Handelbarkeit. An der Börse sind Kursmakler dafür zuständig. Und wie reagieren die Aktionäre, wenn die Kurse um 50 % oder mehr sinken sollten. Transparenz kann auch zur Gefahr werden. Aktienanlager wissen davon ein Lied zu singen.
Handelt es sich bei Bergfürst tatsächlich um eine Crowdinvestingplattform?
Für mich ist Bergfürst eine Emissions- und Handelsplattform für Aktien und keine Crowdinvestingplattform. Wettbewerber ist Valora Effekten, die seit Jahren Marktführer in diesem Segment sind. In den 90ern war AHAG noch ein wichtiger Player in dieser Branche. Nach dem Zerplatzen der New Economy Blase und der Schließung des Neuen Marktes ist allerdings die Luft aus diesem Segment heraus. Als Crowdinvestingplattform will sich Bergfürst einem hipperen Image geben. Ob die Crowds aber umfassend in die Aktivitäten von Bergfürst eingegebunden werden, ist bisher noch nicht erkennbar.
Zwischenfazit: Das Konzept von Bergfürst finde ich gut, die Umsetzung ist bisher aus meiner Sicht zumindestens fragwürdig. Aber selbst wenn die Urbanara-Emission via Bergfürst scheitern sollte, hätte Urbanara viel Medienaufmerksamkeit erhalten und könnte dadurch den Absatz steigern. Und auch Bergfürst hätte eine zweite Chance verdient. Denn die StartUp-Szene braucht mehrere Wettbewerber, die in der Lage sind, via Crowdinvesting eine Mio. EUR und mehr zu besorgen. Seedmatch hat diesen Beweis bereits angetreten und wird sich mit steigender Nachfrage weiter entwickeln. Es wird Zeit, dass endlich funktionsfähige Handelskonzepte 2.0 angeboten werden. Und dass der Crowdsourcing-Gedanke konsequent umgesetzt wird und nicht als Feigenblatt missbraucht wird. Es gibt viel zu tun.
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Guter Artikel, der die richtigen Fragen stellt!
Eine Anmerkung habe ich allerdings: Ein Wertpapier-Prospekt ist kein Businessplan!
20 Seiten wären von der Bafin niemals genehmigt worden und ja, es stehen viele Risiken drin, weil aus Haftungsgründen jedes nur erdenkliche Risiko erwähnt werden muss.
270 Seiten sind für ein Wertpapier-Prospekt keine Seltenheit, sondern rechtliche Notwendigkeit!
Viele Grüße!
Hallo Steffen,
das ist mir bewusst, damit habe ich eine Zeit lang mein Geld verdient.
Es ist aber nicht verboten, den Wertpapierprospekt vom Inhalt so zusammenfassen, so dass es die Aktionäre auch lesen. Die jetzigen Regeln sind hinsichtlich des Verbraucherschutzes z.T. kontraproduktiv.
[…] Bergfürst Die sechs Fragezeichen hinter Bergfürst Nicht das erste Mal können sich die Crowds in Deutschland via IPO-Plattform direkt an Unternehmen in Form von Aktien beteiligen. Valora Effekten bietet das seit Jahren an. Jetzt steigt Bergfürst neu in den Markt ein, der auf der Crowdinvesting-Welle surfen will und mit einem Jahr Verspätung an den Start geht. best-practice-business.de […]
Sehr guter Artikel – Vielen Dank für Ihre Erläuterung der Emission!
Sehr gut! Der Artikel könnte mit diesen Fragen glatt von mir stammen. Auch ich vermisse die kritische Reflexion durch die Crowdfunding-Szene selbst als auch durch die unabhängige Presse.
Was Alternativprojekte angeht befürchte ich nur, dass es da keine oder nur wenige Alternativen gab. Und ob ich die 10. mymuesli-Idee dort sehen möchte … Naja. Vor allem müssen es bei Bergfürst etablierte Aktiengesellschaften sein, da fallen schon viele Unternehmen, vor allem Start-ups raus.
Ein paar eigene Gedanken zu den Spätstartern im Crowdinvesting-Geschäft habe ich auf deutsche-startups veröffentlicht, der Fokus des Artikels liegt aber mehr im direkten Vergleich. http://www.deutsche-startups.de/2013/09/16/5-weitere-crowdinvesting-plattformen-im-vergleich
[…] Crowdinvesting-Plattform Bergfürst bietet einen Zweitmarkt an Wir haben lange darauf warten müssen, dass nach erster Ankündigung auch das erste Funding auf Bergfürst angeboten werden konnten. Das Warten hat sich aber gelohnt. Denn im Rahmen der ersten Aktienemission auf Bergfürst (Urbanara-Aktien) konnten die 3 Mio EUR Mindestfundingsumme eingesammelt werden. Und mittlerweile gibt es auch den versprochenen Zweitmarkt, so dass die Zeichner der Aktien die Wertpapiere jederzeit wieder an Dritte veräußern können. Damit könnte Bergfürst eine wichtige Lücke zwischen dem Crowdinvesting für StartUps und dem Börsengang schließen. Die Zukunft wird zeigen, ob Bergfürst in Zukunft genug lukrative Aktienemissionen anbieten kann. […]