Schon seit Monaten gibt es Gerüchte, dass das Google Glass Projekt vor dem Aus stehen würde. Seit letzter Woche besteht nun etwas mehr Klarheit. Am 15.1. wurde via Google+ offiziell vermeldet, dass der Verkauf von Google Glass Brillen im Rahmen des Betaprogramms bis auf weiteres eingestellt wird. Das soll aber nicht das Ende für dieses ambitionierte Projekt bedeuten. Laut Wall Street Journal soll das Projekt der Entwicklungsabteilung von Google X (Google Zukunftslabor) “entrissen” werden und direkt eine eigene Abteilung bei Google übernehmen.
Diese neue Abteilung soll von Googles Glass-Projektleiterin Ivy Ross geleitet werden. Die strategische Verantwortung erhält Tony Fadell, der seit der Übernahme der Firma Nest durch die Firma Google mit an Bord von Google ist und auch maßgeblich an der Entwicklung von Apples iPod beteiligt war. Das Google Glass will man laut WSJ erst wieder der Öffentlichkeit präsentieren, wenn der Verkaufspreis deutlich günstiger als bisher 1.500 USD) sei und eine längere Akkulaufzeit, bessere Tonwiedergabe und Display präsentiert werden kann.
Damit nimmt Google im Open-Source-Zeitalter einen beachtlichen Strategiewechsel vor. Man grenzt die Beta-Test-Community bis auf weiteres aus und will sich erst wieder der Kritik der Öffentlichkeit stellen, wenn das Produkt “vorzeigbar” ist. Das ist ein interessanter Ansatz. Auf jeden Fall soll damit der Druck entweichen, der bisher auf das Projekt lastete. In einer Entwicklungsphase ist es nicht immer förderlich, wenn das entwickelte Produkt jedem Tag der Kritik der Öffentlichkeit ausgesetzt ist. Das musste jetzt auch Google feststellen und zog die Notbremse, nicht um das Projekt zu killen, sondern um es eben nicht zu killen.
Und selbst wenn die Google Glass Datenbrille noch lange braucht, bis sie uns Endkunden präsentiert wird, dann schläft zumindestens die Konkurrenz nicht. Intel hat Ende vergangener Woche rund 24,8 Millionen Dollar in das auf Smart Glasses für den Enterprise-Sektor spezialisierte Vuzix investiert. Damit soll sichergestellt werden, dass Vuzix über genug Kapital verfügt, um seine Datenbrille Vuzix M 100 fertig zu entwickeln und in den Markt einzuführen.
Vuzix hat vielleicht sogar den besseren Weg gewählt, die Datenbrille erst einmal für B2B-Anwendungen zu konzipieren und zu verwenden. Hier ist die Zahlungsbereitschaft der Kunden aufgrund des geldwerten Nutzens viel höher und die Datenschutzproblematik viel geringer. Zudem kann Vuzix gezielt mit den Lead-Kunden sein Produkt weiter entwickeln und verbessern. Die Aktionäre von Vuzix sind auf jeden Fall begeistert. Der Aktienkurs hat sich in den letzten Tagen verdoppelt.
Die Vuzix-Aktionäre honorieren sowohl, dass die Firma Vuzix bis auf weiteres durchfinanziert ist, Google Glass erst einmal keine ernsthafte Konkurrenz ist (trotzdem aber viel Werbung grundsätzlich für die Datenbrille gemacht hat) und die Fokussierung auf Geschäftskunden finanziell sehr vielversprechend zu sein scheint. Nicht immer muss deshalb David verlieren, wenn Goliath in einen Markt einsteigt. Nur die Strategie muss stimmen:-)
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