Momente der Wahrheit

Heute gibt es unzählige „Momente der Wahrheit“, die darüber entscheiden, ob die Kunden überhaupt das Geschäft betreten, Produkte auswählen, an die Kasse gehen, mit dem Kauf zufrieden sind, gerne wieder kommen und das Geschäft voller Überzeugung weiterempfehlen oder nicht. Erfolgreiche Händler kennen und inszenieren diese “Momente der Wahrheit”. Hier präsentieren wir zahlreiche Beispiele, vor, während und nach dem Kauf im Geschäft. Wir beschränken uns bei dieser Übersicht im ersten Schritt vornehmlich auf den stationären und Onlinehandel.

Curated Shopping Tool für stationäre Einzelhändler
Das StartUp Book A Style will den Kunden wieder zurück in den stationären Mode-Einzelhandel lotsen. Das soll dank der webbasierten Curated-Shopping Cloud-Lösung gelingen, die auf der Webseite der Modehäuser eingebunden wird. Ein erster Partner ist das Modehaus Zinser. Der Kunde durchläuft auf der Webseite einen kurzen Profiling-Prozess, in dem er persönliche Stil-Vorlieben und Kleidergrößen auswählt und anschließend einen Termin vor Ort vereinbart. Ziel ist der langfristige Aufbau einer persönlichen Beziehung, bei dem das Modehaus Zinser die Wünsche und Vorlieben seiner Kunden immer besser kennenlernt und gezielter bedienen kann. Dadurch soll die Kundenbindung und Kauffrequenz der Kunden deutlich erhöht werden. Mit einem Klick kann der Kunde bei Bedarf jederzeit wieder einen neuen Termin vereinbaren, seine Daten verwalten oder passende Empfehlungen für seinen Kleidungsstil einholen.

Kate Spade kommt schon vor Ladeneröffnung mit ihren Kundinnen vor Ort in Kontakt
Die Handtaschen der US-Designerin Kate Spade sind durch die Kultserie „Sex and the City“ bekannt geworden. Seitdem eröffnet das Modelabel regelmäßig neue Geschäfte. Das Problem: Es vergehen viele Wochen, bis das Geschäft nach dem Umbau endlich eröffnen kann. Deshalb haben sich die Marketingverantwortlichen vor der Eröffnung eines Geschäftes in einem Einkaufszentrum eine besondere Lösung einfallen lassen: eine interaktive Wand. Auf Touchscreens werden den Kundinnen einige zum Teil skurrile Fragen gestellt. Darauf hin erhalten die Kundinnen konkreten Kaufempfehlungen aus dem Sortiment von Kate Spade. Diese Kaufempfehlungen können sich die Kundinnen an ihre E-Mail-Adresse senden lassen und dann bequem online einkaufen. So baut der Shop schon Kontakt zum Kunden auf, bevor der Laden überhaupt eröffnet hat. Und er lernt so step by step seinen Kunden immer besser kennen, was auch hilft, wenn die Kundin direkt vor Ort einkauft.

kate spade corridor

Grillautomat vor dem Laden bietet Fleisch in Metzgerqualität auch nach Ladenschluss an
Viele Kunden schwören auf das Qualitätsfleisch vom Metzger. Was tun, wenn man abends oder am Wochenende eine Grillparty durchführen will, der Metzger aber sein Geschäft schon geschlossen hat? In diesem Fall fahren die Kunden dann doch zum Supermarkt oder Tankstelle, um sich mit Grillfleisch einzudecken. Deshalb stellen immer mehr Metzger vor ihrem Geschäft einen Grillfleischautomaten auf, an denen sich die Kunden 365 Tage pro Jahr und 24 Stunden pro Tag bedienen können. Dadurch erschließen sich die Metzger einen neuen Vertriebskanal und gewinnen nicht nur neue Kunden, sondern erhöhen vor allem die Kundenbindung. Bevor solche Grillautomaten käuflich zu erwerben waren, haben sich Metzger andere Ideen einfallen lassen, um ihren Kunden immer zu Dienste zu sein: Der Fleischermeister Jens Drechsler aus dem thüringischen Annaberg erfand zum Beispiel den Bratwurst-Notfalldienst (analog zum Apotheken-Notfalldienst).

Berliner Zahnarztpraxis macht aus dem Wartezimmer eine Buchhandlung
Wie kann man die Wartezeit der Kunden versüßen? Häufig werden Zeitschriften oder Getränke angeboten. Die Leipziger-14 Zahnarztpraxis am Leipziger Platz 14 in Berlin ist noch einen Schritt weiter gegangen. Im Wartebereich stehen mehr als 500 Bücher zur Auswahl. Das Bester: Wer ein Buch angelesen hat und es gerne zu Hause zu ende lesen will, kann das Buch an der Rezeption „kaufen“. Wenige Tage später erhält der Patient eine Rechnung vom KulturKaufhaus, das von der Firma Dussmann betrieben wird. Das KulturKaufhaus bestückt das Bücherregal in der Zahnartzpraxis im Wochenrythmus, damit das Angebot immer aktuell ist. Ein schönes Beispiel für Kooperationsmarketing, um den Kunden konkrete Mehwerte anzubieten. Erfahren Sie mehr dazu in unserem Leitfaden zum Thema Marketing-Kooperationen.

Bei Emmas Enkel können die Kunden einen Kaffee trinken, während die Mitarbeiter den Einkauf erledigen
Viele Kunden empfinden es als sehr lästig, im Supermarkt durch alle Gänge gehen zu müssen. Man verliert dadurch viel Zeit. Zudem sind die Gänge häufig voll von Menschen, so dass man mit seinem Einkaufswagen nicht richtig durchkommt. Geht das auch anders? Darüber haben sich die Gründer von Emmas Enkel Gedanken gemacht. Bei ihnen im Geschäft können sich die Kunden in die Cafe-Zone setzen, eine Einkaufsliste zusammenstellen und diese den Mitarbeitern übergeben. Sie gehen durch die Regale und packen alles in die Einkaufstüten ein, die den Kunden in der Cafe-Zone übergeben werden. So bequem kann der Einkauf sein. Man könnte sich auch überlegen, dass Emmas Enkel mit Cafe´s in der direkten Umgebung kooperieren.

Hightech-Spiegel vantastec ermöglicht eine virtuelle Anprobe vor Ort
Kunden haben den Wunsch, passende Kleidung im Geschäft zu finden, ohne ständig in die Ankleidekabine gehen zu müssen. Solch eine virtuelle Anprobe ermöglicht jetzt zum Beispiel der vantastec-Spiegel: Der Kunde stellt sich vor die Stele und wird durch ein Verfahren automatisiert erkannt und sieht sich selbst mit der ausgewählten Mode, ohne Anprobieren. Er kann sich drehen und bewegen, wie vor einem normalen Spiegel. Hebt man die rechte Hand, wechselt das Spiegelbild in einer Sekunde die Kleider. Die Sensoren erkennen das Geschlecht, das Alter und die Konfektionsgröße des Users. Der Spiegel kann aber noch mehr. Mit dem „discount for a post“-Konzept kann der Kunde mit Hilfe eines QR-Codes und seinem Smartphone einen Facebook-Post mit seinen favorisierten Outfits posten und dafür einen Rabatt erhalten.

Intelligenter Spiegel im Umkleideraum sorgt für Nachschub
Das StartUp Phizzard bietet einen Touchscreenlösung für Umkleidekabinen an. Die Kunden können die Barcodes der Kleidungsstücke einscannen und angeben, wie gut ihnen die Kleidungsstücke passen. Auf Basis dieser Informationen kann die Verkäuferin passende Kleidungsstücke in die Umkleidekabine nachliefern. Das erhöht den Kundenservice und die Umsätze, ohne dass die Verkäufer ständig den Kunden im Auge behalten müssen. Eine ähnliche Lösung bietet der Rebecca Minkoff Flagshipstore auch schon an.

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Kochrezepte auf der Supermarktquittung
Man kann den Kassenbon nicht nur dafür nutzen, um die Rechnung zu präsentieren, sondern auch um nützliche Zusatzinformationen liefern zu können. Die Firma Hellmanns, die Mayonnaise herstellt, hat in Brasilien in ausgewählten Supermärkten gezeigt, wie das gehen kann: Kunden, die im Aktionszeitraum in ausgewählten Supermärkten der Kette St. Marche in Brasilien die Hellmanns Mayonnaise eingekauft haben, haben auf der Supermarktquittung passende Rezepte ausgedruckt bekommen. Die Besonderheit: Bei der Kochrezepterstellung wurde berücksichtigt, welche Produkte der Kunde neben der Mayonnaise noch einkauft hatte, damit das Rezept gleich ausprobiert werden konnte, wenn der oder die Kundin wieder zu Hause war.

Das Auspacken zum Erlebnis machen
Steve Jobs war ein Perfektionist. Für ihn war jedes Produktdetail enorm wichtig und er achtete selbst darauf, dass das Innere des Gerätes, auch wenn es der Kunde nie zu Gesicht bekommen würde, anspruchsvoll designt war. Aber damit gab er sich nicht zufrieden. Auch die Verpackung war für Steve Jobs enorm wichtig. Denn er wusste, wie wichtig der erste Eindruck aus der Sicht des Kunden war. Damit war nicht nur die Verpackung selbst gemeint, sondern der gesamte Vorgang des Auspackens. Aus seiner Sicht musste das Auspacken zur Zelebration werden. Auch diesbezüglich hat Steve Jobs ganz neue Maßstäbe gesetzt.

blacksocks legt zu jeder Lieferung lustige Give-Aways bei
Viele konnten sich nicht vorstellen, dass Sami Liechti damit Erfolg haben würde, schwarze Socke im Abo zu verkaufen. Trotzdem hat er damit seit der Gründung im Jahr 1999 viel Erfolg. Damit gilt er als einer der Pioniere das Abo-Commerce-Business. Aber er ruht sich nicht auf seine Lorbeeren aus. Vielmehr überlegt er sich immer wieder Neuerungen, um die Kunden immer wieder zu begeistern. So wird eine emotionale Kundenbindung hergestellt, weil jede Lieferung zum kleinen Event gemacht wird. So wird z.B. eine Steinpilzsuppe mit dem Slogan: „Lieber Steinpilz statt Fußpilz“ mitgeschickt und gleichzeitig Tipps gegeben, wie man Fußpilz vermeidet. Die Kunden werden sofort neugierig gemacht, mit welcher Idee sie nächstes Mal überrascht werden.

Ausführliche Informationen auf der Verpackung zu Inhaltsstoffen und Lieferanten
Ihre Kunden wollen heute mehr über die Herkunft Ihres gekauften Produkte erfahren. Das erkannte Prof. Faltin schon vor langer Zeit. Wer die Chargen-Nummer des Tees der Teekampagne auf der Webseite eingibt, kann den Weg des Tees zum Ursprung rückverfolgen. Mittlerweile gibt es viele solcher Erfolsbeispiele. Auf der Webseite des Marmeladenhersteller “Beerenberg Farm” aus Südaustralien kann man die letzten sechs Stellen des Barcodes eingeben, der auf den Produktverpackungen abgedruckt ist. So erfährt man den Tag der Herstellung des Produkts, Auflistung aller Inhaltsstoffe sowie Namen und Fotos von den Personen, die das Produkt hergestellt haben. Mehr außergewöhnliche Verpackungsideen werden im Magazin-Special “Verpackung macht den Unterschied” vorgestellt.

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Personal Commerce Plattform „enjoy“ bietet einen Lieferservice mit persönlicher Beratung an
Der Ex-Apple-Store-Manager Ron Johnson bietet mit seiner Personal Commerce Plattfrorm enjoy ein ganz neues Kauferlebnis für Elektronikprodukte an. Sein Angebot klingt einfach und bestechend: Kauft auf enjoy beliebte Gadgets und Elektronikartikel ein und Ihr erhaltet diese Produkte nicht nur frei Haus geliefert, sondern der speziell ausgebildete Lieferant hilft Euch vor Ort für vier Stunden, das Gerät einzurichten und auszuprobieren. Das Prinzip ist sehr einfach: Die Macher von enjoy investieren nicht in Backsteine (Gebäude, Inneneinrichtung), um den Kunden ein besonderes Shoppingerlebnis zu schenken, sondern sie investieren in ihre Mitarbeiter, damit diese den Kunden konkret vor Ort dabei helfen können, damit sie mit ihrem gekauften Produkt viel Spaß haben.

Woolworth übergibt vielreisenden Fluggästen ihre Haushaltseinkäufe am Flughafen
Nach einem längeren Auslandsaufenthalt muss der Reisende erst einmal wieder einkaufen, um seinen Kühlschrank zuhause aufzufüllen. Woolworth hat dafür eine spezielle Lösung entwickelt: Als vielreisender Fluggast kann man sich jetzt die online bestellten Waren am Flughafen Melbourne abholen. Dafür kann man bis zu sieben Tage vorher via App die Waren bestellen. Damit erweitert Woolworth sein Angebot im Rahmen des „click & collect – Programmes“. Eine ähnliche Lösung hat der com4buy-Onlineshop entwickelt. Hier können die Kunden vormittags online Lebensmittel einkaufen und nachmittags an einem Parkplatz abholen, an dem sich der Lieferwagen von com4buy befindet.

Narvar verbessert das Erlebnis nach dem Onlinekauf und verbessert damit die Kundenloyalität
Amit Sharma, Gründer des StartUps Narvar, ist der Meinung, dass der Kunde auch intensiv betreut werden sollte, nachdem er im Onlineshop einen Kauf getätigt hat. Auch nach dem Kauf gibt viele „Moments of Truth“, die darüber entscheiden, ob der Kunde zum „Wiederholungstäter“ wird. Die Kunden werden dank Narvar darüber informiert, wann das Paket verschickt wird und wo es sich befindet (Tracking-Service inkl. Text-Nachrichten), unabhängig davon, welcher Logistikdienstleister gewählt wurde. Kunden können über die Plattform auch reklamieren oder Rücksendungen initiieren. Die Kunden werden zudem über neue Produkte informiert, die zu ihren gekauften Produkten passen. Auch Serviceangebote oder anderen Informationen erhalten die Kunden nachträglich zu ihren gekauften Produkten. Fünf Jahre nach dem Start hat Narvar mittlerweile mehr als 100 E-Commerce-Plattformen als Kunden gewinnen können, die mehr als 30 Mio. Kunden zählen.

Ford wird zum Servicebutler für seine Kunden
Autohersteller sowie -händler befinden sich derzeit im Transformationsprozess vom Produzenten bzw. Händler zum Mobilitätsanbieter bzw. -provider. Ein gutes Beispiel dafür ist Ford, die mit Hilfe der FordPass-Plattform die Beziehung zu seinen jetzigen und künftigen Kunden auf eine neue Grundlage stellt. Vereinfacht gesagt soll FordPass für Fahrer und Besitzer eines Autos – egal welcher Marke – in etwa die gleiche Funktion übernehmen wie iTunes für Musikfans. Das Kernangebot besteht darin, dass FordPass-Mitglieder automatisch Zugang zu einem umfangreichen Angebot an Mobilitätsservices bekommen: Parkplatzfinder, Carsharing, etc.

ford hub

Mehr Beispiele zum Thema finden Sie in unserem Magazin-Special “Kaufimpulse setzen”.

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